Kaum sind wir eingeladen, wieder miteinander Gottesdienst zu feiern und uns auf das österliche Geheimnis vom auferstandenen Christus einzulassen, endlich seine Gegenwart in der versammelten Gemeinde wieder erahnen zu dürfen, hören wir im heutigen Evangelium, wie Jesus die Jünger auf seinen Abschied vorbereitet. Er erinnert sie an seine Gebote und an die Liebe, in der sie bleiben werden, wenn sie seine Gebote halten. Er verspricht ihnen aber auch den anderen Beistand, seinen Heiligen Geist.
Wir sind keine Waisen
Jesus spricht von diesem Geist als dem Garanten für die Erkenntnis der Wahrheit; nicht deckungsgleich mit der Welt; eine Kraft, die die Jünger durch die Epochen der Weltzeit begleitet bis zu seiner Wiederkunft, damit sie sich ja nicht wie übrig gebliebene Waisenkinder in dieser Welt vorkommen müssen. Ganz unterschiedliche Aussagen, die doch eines deutlich machen: Von diesem Geist können wir nur in Bildern sprechen, nur in mehreren Anläufen zugleich umkreisen wir gleichsam das Geheimnis dieses göttlichen Beistandes. Ihn sehen, über ihn staunen wie etwa Hirten von Betlehem über ein neu geborenes Kind – Fehlanzeige!
Wirken – nicht aufbewahren
In Taufe und Firmung wird uns der Heilige Geist im Zeichen der heiligen Salbung mit dem Chrisam geschenkt; bei der Priester- und Bischofsweihe darf der Weihekandidat diese Salbung erneut erfahren.
Aber vielleicht kann genau der Akt der Salbung irgendwie deutlich machen, warum uns Jesus diesen anderen Beistand verspricht und schenkt: Wenn wir uns beim Sport eine Zerrung zuziehen, dann wenden wir eine vom Arzt verordnete Salbe an, die heilend wirken mag. Es wird aber nicht genügen, die Tube daheim sorgsam und – damit ja nichts verloren geht – verschlossen aufzubewahren, wir müssen sie brauchen. Und es nützt meistens nichts, wenn ich noch so viel Salbe über die schmerzende Stelle ziehe. Ich muss sie einreiben, damit die Salbe unter die Haut geht und von innen her ihren heilenden Dienst tut.
Wie der Geist wirkt
So stelle ich mir das auch mit der Wirkung des verheißenen anderen Beistands vor. Also nicht greifbar, ertastbar, nicht essbar wie etwa die Speise der Heiligen Kommunion, aber erfahrbar und spürbar, weil er unter die Haut geht.
Da kann er wirken:
Hitzköpfe kommen zur Vernunft und Angsthasen wird Dampf gemacht.
Er wirkt da wie ein heftiger Sturmwind und dort wie ein sanftes Säuseln; er spendet milden Trost, kann und will aber auch ein unbequemer Stachel sein; manchmal lädt er ein, den Schatz der Tradition zu hüten, stiftet aber immer auch zu neuen Ideen an; für die Mutigen ist er Energie zum Aufbruch, den Müden Rastplatz.
Er steuert dagegen, wenn etwas Gutes leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird; und er protestiert, wenn gar nichts mehr riskiert wird und der Ruf immer noch lauter gellt: Alles muss so bleiben, wie es immer schon war.
Darum – davon bin ich überzeugt – kann ein Weg zur Normalität aus der momentan erlebten Corona-Krise niemals ein Weg zurück sein; es kann nur vorwärts gehen. Unser Bischof Bertram meinte neulich einmal : den Weg in die Zukunft können wir nicht im Rückwärtsgang gehen.
„Salz der Erde“
Wir wollten uns in diesen Tagen beim Ökumenischen Kirchentag in Donauwörth von diesem Geist Gottes daran erinnern lassen, wer wir sind: geliebte Kinder Gottes mit einem besonderen Auftrag, den Jesus einmal so auf den Punkt gebracht hat: „Ihr seid das Salz der Erde!“
Wie vieles andere kann dieser Kirchentag so nicht stattfinden. Aber zusammen mit Dekan Heidecker und vielen anderen, die seit gut eineinhalb Jahren diesen Kirchentag vorbereitet haben, bin ich davon überzeugt, dass es uns gut tun wird, dieses Glaubensfest erleben zu dürfen.
Wann und wie, ob in der geplanten Form oder doch verändert – das steht heute noch nicht fest. Aber dass es diesen Tag geben soll – das haben die Verantwortlichen sicher im Blick.
Geist der Einheit
Wir wollen uns gegenseitig daran erinnern, wozu wir Christen miteinander berufen sind: „Ihr seid das Salz der Erde!“.
Wir wollen miteinander feiern, dass Jesus sein Versprechen an uns erfüllt hat: „Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben…, den Geist der Wahrheit.“
Und wir wollen füreinander beten um diesen Geist der Einheit – nicht nur anlässlich eines Ökumenischen Kirchentages, der irgendwann sein wird, sondern alle Tage.
Überhören wir darum nicht den Klang der Glocken von den Türmen der Kirchen verschiedener Konfessionen. Wie oft verschmilzt er über den Dächern unserer Stadt und mag uns alle einladen, miteinander zu bitten:
„Komm, Heiliger Geist! Erfülle die Herzen der Gläubigen, erneuere das Angesicht der Erde!“
Uns allen, den Angehörigen unserer Pfarreiengemeinschaft, den Schwestern und Brüdern unserer evangelischen und orthodoxen Nachbargemeinden und allen Bewohnern und Gästen unserer Stadt wünsche ich einen gesegneten Sonntag!
Bleiben Sie gesund und Gott befohlen!
Pfarrer Robert Neuner